Neue Rechtslage im Zusammenhang mit bAV und Kindergeldbezug?
Kindergeldanspruch – Neuerdings Berücksichtigung von nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfreien Beiträgen zur bAV bei Einkünften und Bezügen des in der Berufsausbildung befindlichen Kindes
Eine Voraussetzung für den Bezug von Kindergeld bei volljährigen Kindern ist gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den gesetzlich festgelegten Grenzbetrag im jeweiligen Kalenderjahr nicht überschreiten. Dieser Grenzbetrag orientiert sich am Existenzminimum und liegt aktuell bei 8.004 Euro. Verfügt das Kind beispielsweise ausschließlich über eine Ausbildungsvergütung und damit über Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, können vom Bruttogehalt die Arbeitnehmerpflichtbeiträge zur Sozialversicherung sowie die tatsächlich nachgewiesenen Werbungskosten (mindestens die Werbungskostenpauschale in Höhe von 920 Euro nach § 9a EStG) abgezogen werden. Wird im Ergebnis der genannte Jahresgrenzbetrag nicht überschritten, besteht grundsätzlich im jeweiligen Kalenderjahr Anspruch auf Kindergeld.
Bisher war davon auszugehen, dass nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfreie bzw. nach § 40b EStG pauschal versteuerte Beiträge zu einer betrieblichen Altersversorgung nicht zu einer Überschreitung des maßgeblichen Grenzbetrages führen, weil die Familienkassen hierin keine Einkünfte oder Bezüge sahen, die zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung des Kindes bestimmt und geeignet sind. Entsprechendes ging bisher aus der „Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs der Familienkassen“ hervor.
In der Folge wurde daher in einem Ausbildungsverhältnis befindlichen Kindern, deren Einkünfte und Bezüge oberhalb des maßgeblichen Grenzbetrages lagen, mitunter empfohlen, den Kindergeldanspruch durch eine mit dem Arbeitgeber zu treffende Entgeltumwandlungsvereinbarung zu erhalten. Hierbei wurden z. B. mindestens die den Grenzbetrag überschreitenden Einkommensbestandteile zu Gunsten einer nach § 3 Nr. 63 EStG finanzierten Direktversicherungszusage umgewandelt. Vermutlich in Verbindung mit der jüngsten BFH-Rechtsprechung haben die Familienkassen diese Auffassung offenbar geändert.
BFH-Entscheidung vom 17.06.2010, III R 59/09
Der BFH hatte über den Fall eines Kindes zu entscheiden, welches in der gesetzlichen Rentenversicherung und außerdem aufgrund tarifvertraglicher Regelungen in der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) pflichtversichert ist. Fraglich war, ob die Beiträge zur VBL in die Grenzbetragsprüfung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen seien. Der BFH gelangte zu der Auffassung, dass Beiträge zur VBL-Pflichtversicherung nicht die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG mindern und in die Grenzbetragsprüfung einzubeziehen sind. Der BFH argumentiert damit, dass die Zahlung der VBL-Beiträge nur auf tarifvertraglicher Grundlage beruhe und damit nicht mit einer gesetzlichen Verpflichtung gleichzusetzen sei. Er folgert hieraus, dass ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vorliegen würde, wenn Beiträge zur VBL – imGegensatz zu Beiträgen für eine private Rentenversicherung – nicht in die Grenzbetragsprüfung einbezogen würden.
Die VBL-Pflichtversicherung stellt eine die gesetzliche Rentenversicherung ergänzende Absicherung dar. Aus Sicht des BFH ist es nicht entscheidend, dass sich das Kind auf Grund der tarifvertraglichen Vereinbarungen der Beitragspflicht nicht entziehen konnte. Vielmehr ging er im Sinne des gebotenen Gleichheitsgrundsatzes davon aus, dass Kinder, die als ergänzende Altersvorsorge darauf angewiesen sind, diese privat zu finanzieren, nicht gegenüber Kindern benachteiligt werden dürfen, die ihre zusätzliche Altersversorgung auf Grund tarifvertraglicher Vereinbarung in der VBL aufbauen.
Seither ist zu befürchten, dass der BFH bei in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherten Kindern – aus den zuvor beschriebenen Gründen – ebenfalls nach § 3 Nr. 63 EStG steuerfreie Beiträge zu Gunsten betrieblicher Altersversorgung in die Grenzbetragsprüfung einbeziehen würde. Dieser Sichtweise haben sich offenbar auch die Familienkassen bereits angeschlossen.
Ablehnender Einspruchsentscheid der Bundesagentur für Arbeit
In einem aktuellen Fall wurde einem bei uns in einer Direktversicherung versicherten Auszubildenden kein Kindergeld zugestanden. Für den Auszubildenden wurde über seinen Arbeitgeber eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) durch Entgeltumwandlung abgeschlossen. Die Familienkasse bezog bei der Grenzbetragsprüfung die Direktversicherungsbeiträge beim zu berücksichtigenden Einkommen mit ein. Hiergegen legten die Eltern des Auszubildenden Einspruch ein. Der Einspruch wurde zwischenzeitlich von der Rechtsbehelfsstelle der Bundesagentur für Arbeit zurückgewiesen. In der Begründung wurde – analog zur beschriebenen Auffassung des BFH – darauf verwiesen, dass die Zahlung der Direktversicherungsbeiträge nicht – vergleichbar mit dem Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung – auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruht.
Konsequenzen
Vor dem beschriebenen Hintergrund ist davon auszugehen, dass Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die dadurch motiviert sind, den steuerlich maßgeblichen Grenzbetrag zu unterschreiten und dadurch den Kindergeldanspruch zu sichern, nicht mehr zum gewünschten Ergebnis führen. Allerdings wäre diese Gestaltungsform ohnehin nur noch im laufenden Kalenderjahr anwendbar gewesen, da nach Artikel 13 des Steuervereinfachungsgesetzes ab 2012 die Berechtigung zum Kindergeldbezug bei volljährigen Kindern neu geregelt wird. Danach ist vorgesehen, dass Kindergeld gewährt wird, wenn sich das volljährige Kind z. B. in einer (Erst-)Ausbildung oder einem (Erst-) Studium befindet. Auf die in dieser Zeit bezogenen Einkünfte und Bezüge wird dann nicht mehr abgestellt, wodurch die bisherige Grenzbetragsprüfung entfällt.